Faramir, der kleine Bruder. Und auch ein Sohn. Der Sohn von Denethor. Der zweite Sohn des Truchsess von Gondor als der Ringkrieg beginnt. Das Blut von Numenor fließt in meinen Adern, wie Gandalf mir schon als Kind sagte. Doch immer wieder bin ich, und mehr als alles andere, der kleine Bruder.
Ein wenig überflüssig. Manchmal auch sehr überflüssig. Nützlich fühlt ich mich meistens nicht und versuchte es doch zu sein. Denn das was ich kann, was ich lernen musste, um zu überleben, das will niemand hören.
Fragen. Fragen will niemand haben.
Nicht solche, wie ich sie stelle. Selbst mein Bruder, Boromir, nicht. Genug der Klage. Ich weiß, wenn ich so spreche, hoffe ich auf Widerspruch. Und das klappt auch meist. Doch dann frage ich mich so etwas wie: Faramir, willst Du nützlich sein? Und wenn ja, für wen? Für jeden? Nur, dass er Dich mag? Vorzieht?
Es ist schon seltsam, was seltsame Kindheiten mit einem erwachsenen Manne noch anstellen können. Doch sie schärfen auch seine Sinne. So er wach bleibt. Wenn ihr mich fragt, was sicher nicht jeder tut.
Ich, Faramir aus Numenor
„Ja, was willst Du denn dann, Faramir?“ So, vermute ich, fragte Gandalf, der mich das Fragen gelehrt hatte, schließlich, als ich schon erwachsen war. Denn anders als Aragorn wollte ich nicht wie die Elben sein. Seit meiner Kindheit schon nicht.
Was, aber wenn nicht, wie die Elben, das wusste ich nicht. Nein, dies wiederum wusste ich nur zu gut: Numenor ist auch keine Lösung.
Die Menschen von Numenor waren groß, mächtig und nahezu unsterblich. Viel Zeit zu lernen hatten sie. Doch traten sie ihre Größe mit Füßen, sie wollten nicht lernen, sie wollten nicht fragen. Sie wollten so wie die Elben sein, die gleichen Rechte, dieselbe traurige, um es freundlich zu sagen, Art von Unsterblichkeit – danach gierten die Menschen von Numenor.
Ich schämte mich dafür, denn ich war einer von ihnen. Das wusste ich, hellsichtig, wie man als nutzloser kleiner Bruder wird, seit meinen Kindertagen. Und auch Gandalf hatte, als meine Mutter auf dem Sterbebett lag, zu dieser gesagt, was sie glücklich machte: Dass das Blut von Numenor in den Adern ihres jüngsten Sohnes fließe.
Doch das Schicksal zu sterben bleibt mir eine offene Wunde. „Niemals werde ich dieses Schicksal für Wahrheit halten“. Versprach ich Gandalf mit heiligem Ernst. „Es muss eine andere Lösung geben. Und ich glaube, dass es mein Schicksal ist, sie zu finden.“
„Nun“, lachte Gandalf, „groß gesprochen. Du weißt immerhin, was Du nicht willst. Das ist ein Anfang. Ja, darin, was Du nicht willst, bist Du unbeirrbar, wie mir scheint. Ich wäre froh, Faramir“, fügte er ernst hinzu, „wenn ich Gleiches von mir sagen könnte.“
Mein König, König Elessar und Eowyn
Den König, meinen König, den freudig zu erwarten Gandalf mich erzogen hatte, anders als dies mein Vater, der Truchsess tat, sah ich in meinem dunkelsten Traum, der sich zu meinem hellsten wandeln sollte. Eowyn wird das selbst erzählen wollen, denn sie war es, so glaube ich, die meinem Herzen Mut schenkte.
Wer weiß, ob der König, König Elessar, mich hätte zurückholen können, hätte nicht Eowyn mir ein Lächeln geschenkt. Ein Licht, in dem er fühlte, dass all die schweren Gedanken wirklich, wie ich ja wusste, nichts als Täuschungen waren. Irrwege, da ich nicht wusste, wie ich über mich denken wollte.
Ja, in diesem Moment, mein König, Eowyn und der Hobbit Merry, Meriadoc Brandybock, mich vom Abgrund, an dem ich lange gestanden, zurück ins Leben riefen, lichtete sich das Dunkel vor meinen Sinnen. Mitnichten war ich allein in meinen Zweifeln über mich. Über den Menschen. Über die Welt der Menschen. Wie konnte ich nur so vermessen sein und all das Leid dieser Welt auf meinen Schultern wähnen?
Nein, es musste einen anderen Weg geben, denn den, als einsamer Magier den Rätseln der Welt auf den Grund zu gehen. An denen ich – natürlich – zerbräche.
Quellen von Faramir aus Numenor:
Bildquelle: © mythos-web.de
Figuren, Items (einschließlich Elessar) und Ereignisse © Tolkien
Elessar Geschichten © elessarion.de