Die Gesetzmäßigkeiten, nach denen Leben entsteht, wieder vergeht oder sich selbst zu evolutionieren lernt, sind inzwischen bekannt.
Sie wurden – vor allem im vergangenen Jahrhundert – von führenden Mathematikern, Physikern, Biologen, Philosophen, Psychologen und Soziologen zusammenhängend beschrieben.
Die Gesetze des Lebens genau beschreiben zu können, war ein richtiger Durchbruch an Wissenschaftsfortschritt – auch übrigens explizit interdisziplinärer und internationaler Zusammenarbeit.
Ein paar Namen:
- Charles Sanders Peirce (US-amerikanischer Mathematiker, Philosoph und Logiker)
- Alfred North Whitehead (englischer Physiker und Philosoph)
- Gotthard Günther (deutscher Logiker und Philosoph)
- Heinz von Foerster (österreichischer Biophysiker)
- Paul Watzlawick (österreichischer Kommunikationswissenschaftler)
- Humberto Maturana (chilenischer Biologe)
- Niklas Luhmann (deutscher Soziologe)
Die Gesetzmäßigkeiten des Lebens gibt es im engeren Sinne natürlich nicht – anfassen kann man sie nunmal nicht. Aber sie lassen sich – als Wirkungszusammenhänge – beschreiben.
Erfasst wurden in diesen Beschreibungen die Spielregeln nach denen lebendige Systeme entstehen (können), was ihrer Autonomie und Entwicklung förderlich, was abträglich ist und unter welchen Umständen sie erfolgreich sind bei ihrem Bestreben, sich selbst zu erhalten, erweitern, sich weiterzuentwickeln.
Biologische, psychische und soziale Systeme – allen gemeinsam: Lebendigkeit
Und es wurden – besonders spannend – drei grundlegend verschiedene lebendige Systeme beschrieben, denen nur das Grundprinzip Lebendigkeit (energetisch offen, informationell geschlossen, d.h. zu eigenen Entscheidungen fähig) gemeinsam ist:
- biologische Systeme, des materiellen Stoffwechsels mit ihrer Umwelt fähig: von Bakterien bis Menschen, aber auch deren Zusammenspiel in Ökosystemen. Die moderne Physik hat sogar beschrieben, dass jedes Atom der aktuellen Situation entsprechende spontane Entscheidungen trifft.
- psychische Systeme, reflexionsfähige Systeme, die sich selbst als „Ich“ beobachten und korrigieren können. Psychische Systeme sind nicht gegenständlich, sondern entwickeln sich aus der Erfahrung eines biologischen Systems, sich selbst – aus distanzierter statt involvierter Perspektive – beobachten und beschreiben zu können. Damit hängt auch die Fähigkeit zusammen, über die aktuelle Situation hinaus Strukturen vergangener und künftiger Ereignisse zu beschreiben.
- soziale Systeme, der Entwicklung und Verfeinerung von zur Sprache fähigen Systeme. In einfachen Formen schon von Pflanzen und Tieren entwickelt. Im Zuge der Entwicklung psychischer Systeme (der Menschen) wird Kommunikation zu einem eigenen System – das sich auch unabhängig von konkreten psychischen und biologischen Systemen selbst erhalten kann.
Während Pflanzen und Tiere vor allem nach den Spielregeln biologischer Systeme funktionieren, sind für Menschen alle drei Arten lebendiger Systeme gleichermaßen relevant (mit einem Wort von Kant sogar: gleich ursprünglich). Das ist der Menschen große Gefährdung aber auch ihre Chance.
Die Gesetze des Lebens – Gefahr und Chance der Menschen
Die Gefahr: Anders als Pflanzen und Tiere können Menschen gegen die Spielregeln, auf denen ihr Leben basiert, verstoßen. Und tun es mitunter – siehe Atomkraft – auf massiv selbstmörderische Weise. Womöglich beruht dieses selbstmörderische Verhalten auf dem Irrglauben, die Gesetze des Lebens – da ja erkannt – willkürlich außer Kraft setzen zu können. Die alten Griechen nannten diesen Irrglauben Hybris – das schlimmste Verbrechen, das einem Menschen vorgeworfen werden konnte und in der Regel mit dem Tod bestraft wurde.
Ihre Chance: Anders als biologische Systeme sind psychische und soziale Systeme nicht notwendig dem Werden und Vergehen unterworfen, sondern können sich – prinzipiell – selbst dauerhaft erhalten und immer weiter entwickeln, korrigieren, erweitern, ausdifferenzieren. Vorausgesetzt, sie setzen ihre Reflexions- und Sprachfähigkeit eben zu diesem Zwecke ein. Seit es Menschen gibt, träumen Menschen von ihrer eigenen Unsterblichkeit. Eine Ahnung dessen, wozu Menschen prinzipiell in der Lage sind. Und die kreativsten Exemplare der Gattung Mensch (mir fällt als erstes jedes Mal Sokates ein) wohl auch schon immer waren.
Eine wie auch immer geartete zentrale Instanz, die all diese – natürlich einander beeinflussenden – Gesetzmäßigkeiten im Blick haben oder gar auch noch deren Einhaltung überwachen würde, wäre von deren Eigendynamik so weit überfordert, dass sie nicht mal theoretisch konstruierbar wäre – ohne irgendwann in unhinterfragbare Glaubenssätze flüchten zu müssen. Glauben in diesem Sinne ist – immer ! – Selbstbetrug.
Zudem: Niemand kann die Gesetze des Lebens verstehen, ohne von ihnen am eigenen Leibe betroffen zu sein.