Luthien, von wenigen auch Luthien Tinuviel genannt, erzählt, wie sie zum verabredeten Treffpunkt am Spiegelsee kommt. Noch ist sie allein. Was nicht verwunderlich ist, denn sie taucht aus dem Spiegelsee auf. Niemand ist zu sehen. So hat Luthien Zeit, ihr Kleid in der Sonne zu trocknen.
Der Spiegelsee im Schattenbachtal
Was ich mir dabei gedacht habe, mit diesem bestimmt zauberhaften, nun aber viel zu schwerem, weil nassem Kleid hier aus dem dunklen und sehr kühlen See aufzutauchen, das fragt mich hoffentlich niemand.
Niemand zu sehen … weit und breit nicht, nein, niemand, in keine Richtung. Ich werde es ausziehen, das Kleid und in der Sonne trocknen. Viel mehr als eine Stunde vielleicht, wenn keine Wolken heraufziehen, wird es nicht dauern, bis ich es wieder anziehen kann.
Da, ein recht glatter Stein, gerade groß genug für das Kleid. Windstille fast, und der Stein ist, oh schön warm, als hätte er mich und mein nasses Kleid erwartet.
Durins Stein? Galadriel erwähnte solch einen Stein. Nein, ich weiß es nicht, nein wahrscheinlich nicht. Obwohl er in der Nähe sein muss, an diesem See wenigstens, an dessen Ufer ich nun stehe. Nass, nackt. Und keinen Menschen, noch Elben noch Zwerg oder Hobbit sehen und auch nicht hören oder seine Nähe spüren kann.
Der Spiegelsee, ja, so ist sein Name. Der See, und darin der Einzige auf dieser Welt, in dem sich bei Tag ebenso wie in dunklen Nächten, in sternenklaren ohnehin, die Sterne spiegeln sollen. Und nur die Sterne, sonst nichts. Auch nicht der, der hineinsieht in das Wasser.
Ein Spiegelsee, der kein Spiegelbild zeigt. Nicht das Bild wenigstens, das der Hineinschauende erwartet oder von sich haben mag.
Ja, Sterne, ich sehe sie, viele und viele Vertraute dabei, Eärendil auch. Nur hier vor mir, auf dem Wasser zu sehen, nicht, da ja Mittag, am leuchtend hellen Himmel. Sie ist also wahr, die Geschichte.
Galadriels Stimme, da bin ich mir sicher, erzählte sie. Flüsterte sie. Wir, die wir ihre Stimme hören können, sollen zum Spiegelsee kommen. So schnell uns das möglich sei.
Der Elessar ist erwacht
Es geht, höre ich, um den Elessar. Den schimmernden Smaragd aus Gondolin.
Zudem sprach Galadriel von drei Menschen, zwei Männern und einer Frau. Jener dabei, dem der Elessar seit nicht viel mehr als zwei Monden gehöre.
Sie selbst habe ihm den grünen Stein in seine Hände gegeben. Da war er noch still, der Stein und schimmerte grün und heilsam, wie all die Menschenleben lang, die sie ihn bei sich hatte. Nun aber, und es sieht so aus, seitdem Sauron besiegt ist, regt sich der Elessar. Sie alle haben den Elessar erwachen sehen. Oder hören oder in ihren Herzen gespürt. Sie sind bereit, zum Spiegelsee zu kommen. Stehenden Fußes.
Das hörte ich. Und so bin ich hier. Allein und wohl noch lange allein. Die anderen werden reiten müssen. Auch wenn ich nicht weiß, wer außer mir und Galadriel und jene, von denen sie sprach, das sein werden. Gandalf, kenne ich Gandalf? Jenen, den alle kennen würden?
Alle, die den Elessar kennen? Auf ihre Weise. Weil sie ihn suchten, erhofften, erschufen? Wie ich?
So muss es sein, wie sonst hätte ich Galadriels Stimme hören können, wenn ich nicht so lange schon auf diesen Moment gewartet hätte.
Und die anderen? Ob sie von mir wissen? Ob sie sich erinnern werden?
Nein, Gandalf, den Namen habe ich nie gehört. Nun, sei es, wie es sei. Galadriel wird sich meiner, wird sich an Luthien Tinuviel, erinnern. Und ich werde mein Kleid nicht aus den Augen lassen. Solange es, wie mein Leib, der sich wärmt, in der Mittagssonne, trocknet.
Quellen von „Luthien Tinuviel am Spiegelsee …“:
Bildquellen: © Lotro (Herr der Ringe online) / mythos-web.de
Figuren, Items, Orte, Historie © J.R.R. Tolkien
Elessar Geschichten © mythos-web.de