Luthien zeigt sich denen, im Spiegelsee, die nach ihr suchen. Sie will gesehen werden. Doch das ist nicht so leicht getan, wie erhofft.
Luthien zeigt sich im Wasser
Ich muss ihnen zeigen, dass ich hier bin, diesen Menschen und dem Kleineren, der kein Mensch ist. Oh, ich kenne ihn, es ist der Meister. Was für ein glücklicher Zufall.
Oh, wie habe ich darauf gewartet. Und jetzt ist es möglich. Sie suchen mich. Sie sind da. Und sie ahnen, dass ich hier bin, dass ich warte. Selbst, wenn sie meinen Namen nicht vor Augen haben und nicht wissen, wen oder was sie suchen.
Nein, sie sehen mich nicht. Obwohl mein Kopf und mein Hals, Schulter auch, eindeutig nicht unter, sondern über der Wassergrenze, die Stirn und die Augen schon trocken sind.
Doch ich will mich ihnen zeigen. Wie sollen sie mich sonst sehen, wie hören, mir lauschen, sich erinnern? Nur wie? Das Kleid ist hinüber. Mit einem Kleid wäre es leicht gewesen. Und ich hätte sie mit fester Erde unter den Füßen, barfuß, begrüßen können.
Doch nicht mal der Schal, mit dem ich mich ein wenig hätte bedecken können, kann dem Licht dieses Ortes hier und dieser Zeit widerstehen. Ich hatte es ja gelernt und gewusst: Den Spiegelsee als Weg zu nehmen, Ort und Zeit zu verlassen, geht immer nur unbekleidet. Gänzlich nackt. Wie auch sonst. Nur hatte ich dies Wissen nie anwenden können und also gänzlich vergessen.
Luthien zeigt sich nackt
Sprechen, ich muss mit ihnen sprechen, oder mit einem von ihnen, vielleicht mit dem Meister, dem Meister mit den vielen Namen.
Eine Frau, schön ist sie, mit ihrem leuchtend goldenen Haar, das sie fest zusammengebunden hat an der Seite. Und schnell sind ihre Bewegungen, bestimmt, energisch und ziemlich unbekümmert, glaube ich.
Oh, mit meinem Haar könnte ich meine Blöße umhüllen, ein wenig. Die Blöße wäre für Menschen in dieser Zeit hier, in der ich jetzt bin, unangenehm. Soviel ich weiß. Anders als für den Meister.
Näher ans Ufer heran. Die beiden Männer schauen zu mir her, suchend noch immer der eine, nachdenklich, zweifelnd der andere. Doch auch er, der Nachdenkliche, der Jüngere, wie es aussieht, sieht mich nicht. Das würde ich sehen. Nichts als Wasser, Sterne im Wasser sehen die beiden.
Ah, das könnte es sein, es sind nur Sterne zu sehen, so ist dieser See und schwimmen, wie sie jetzt wissen, in diesem See, ist unmöglich. Und so sehen sie mich nicht.
Stattliche Männer mit edlen Gesichtern, streng, doch ohne Eitelkeit. Einem von beiden, vermutlich dem Älteren, muss Galadriel den Elessar gegeben haben, jener, auf den wir gewartet haben. Auf den ich gewartet habe.
So nah bin ich schon, dass meine Füße Boden spüren. Dann ist es also so weit. Der Boden, obgleich mit vielen Steinchen durchsetzt, verändert meinen ganzen Leib. Ich sinke nicht mehr in die Tiefe, wenn ich stille halte, der steinige Boden trägt mich. Er trägt mich nach oben, richtet mich auf.
Ich muss nun mein Haar lösen, leuchtend rot wird es mich umhüllen. Schützen, verbergen. Sie sind schon so nah. Noch einen Schritt und die Rundungen meiner Brüste werden aus dem Wasser tauchen.
Doch ich löse den Zopf nicht. Ich will, dass sie mich nackt sehen, dass ihnen mein Name dämmert.
Tom Bombadil lacht
Sie sehen mich nicht! Doch! Der Meister! Er lächelt, blinzelt in meine Richtung und springt dann ein wenig zur Seite. Zu schauen vielleicht, wie die drei Menschen schauen. Oder nein, er geht zu einem großen Topf, in dem er nun rührt und so tut, als wäre nichts.
Lautlos aus dem Wasser erheben will ich mich, doch es gelingt mir nicht. Es plätschert, das Wasser jetzt, da ich stehe, halb nur noch im schützenden Wasser.
Doch die drei Menschen schauen auf das glucksende Wasser und suchen. Schauen zu mir und sehen mich nicht.
Das Wasser ganz verlassen? Sehen sie mich dann? Ich glaube nicht, der Meister sieht mich, daran liegt es nicht.
Doch! Ich kann etwas tun:
Meister!
Mir kam es wie Flüstern vor, doch es war wohl ein Singen.
Oh, endlich, sie hören mich! Und die Frau sieht, dass der Meister, deutlich kleiner als die anderen drei, wie ich jetzt sehe, etwas sieht. Und sie weiß, wie es scheint, auch wieso. Schnell, obwohl ihre Kleider schwer sein müssen, ist sie bei ihm.
Und der Meister lacht, gibt der Frau etwas, das ich nicht sehen kann, in ihre Hände und lacht nun auch in meine Richtung. Sieht mich an und freut sich wie ein Kind.
Eowyn spricht zuerst
Mit weit geöffneten Augen sieht sie mich an. Beugt den Kopf zu dem, den ich Meister nenne, er reicht ihr tatsächlich gerade zur Schulter und ruft dann die beiden Männer zu sich, legt schließlich die Hände der Männer auf ihre Hände.
Nun schauen mich alle drei Menschen und auch der Meister an.
Alle schweigend. Ohne auch nur eine Grimasse oder ein ungläubiges Kichern. Oh, diese drei Menschen wissen von sich, sie wissen, was sie tun oder wollen es doch. Sie haben mich also wirklich gesucht. Was für ein Glück!
Zum Dank entflechte ich meinen rot leuchtenden Zopf. So dass sie zu ihrer Sprache finden. Das müssen sie, glaube ich, sonst glauben sie nicht, was sie sehen und hören und fühlen.
Luthien
Die Frau spricht meinen Namen aus, leise. Und lächelt. Und ich kenne sie, ich kenne ihre Stimme, an ihrer Stimme erkenne ich sie. Oh, sie hat Kraft und Mut.
Die Hände der drei lösen sich voneinander. Grün schimmernd, ich habe ihn sofort erkannt, bleibt der Elessar groß und schwer auf der Hand des Älteren liegen. Der reglos als einziger bleibt, nicht mal seine Augen flackern.
Quellen von „Luthien zeigt sich …“:
Bildquellen: © Lotro (Herr der Ringe online) / mythos-web.de
Figuren, Items, Orte, Historie © J.R.R. Tolkien
Elessar Geschichten © mythos-web.de
sie nicht, warum nur, was tun?